ASP-Zaun-Katastrophe: Noch immer kein Entkommen für die Tiere im Odertal!

Januar 2022: 

Ein totes Rotwildkalb liegt im Schneematsch unmittelbar vor den drahtenen Maschen des im Nationalpark Unteres Odertal errichteten ASP-Zauns – Zaunausbeulungen markieren jene Verzweiflung, mit welcher das Jungtier in der Nacht vom 21.01. auf den 22.01.22 mehrere Versuche unternommen hatte, die Installation zu überwinden, um seinem Muttertier in sicheres Terrain zu folgen. Das Kalb teilt sein tödliches Schicksal mit zahlreichen weiteren tierischen Schutzbefohlenen wie etwa Rehen und Mardern, die allesamt regelmäßig an der Zaunkonstruktion scheitern, während sie dem alljährlichen Hochwasser-Aufkommen im Tal entfliehen wollen. Schreie der schieren Todesangst tönen durch das brandenburgische Untere Odertal. Tiere brechen entkräftet zusammen. Kadaver hängen in den Zaunabschnitten oder treiben im Wasser. Tierschützende sind entsetzt und ohnmächtig.

(Privat / Januar 2022)

Wir berichteten:

➡️ Politik prokrastiniert – #RettetDieTiereImOdertal! – ANIMALS UNITED e.V.

➡️ Wegen ASP-Schutzzaun – Tiere ertrinken im Odertal! – ANIMALS UNITED e.V.

März 2024:

Die Schreie sind nicht verstummt und das Entsetzen weiterhin groß. Ein verschrecktes Reh stürzt sich panikartig vom schmalen, hochwasserbedrängten Deichbereich aus ins eiskalte Nass und schwimmt über einen Zaunabschnitt hinweg. Das Tier hat Glück und kann den bedrohlichen Maschen entgehen, ohne sich dabei zu verheddern - schwimmt in seiner Panik allerdings ins Ungewisse, da kein rettendes Ufer in Sicht. Ob das Reh die Flucht durchs Hochwasser überlebt hat, weiß niemand so genau.

(Enrico Rahn / März 2024)

Heute:

Der habitatszerschneidende „Schutz“zaun, welcher um bzw. durch das Untere Odertal gezogen wurde, der bundesweiten ASP-Seucheneindämmung dienen soll und sich insgesamt über mehrere hundert Kilometer erstreckt, steht noch immer – und gefährdet weiterhin die Unversehrtheit, die Gesundheit und das Leben vieler betroffener Wildtiere - eine Gefahr, die jedes Jahr mit Einbruch des Winters kulminiert, da dieser Hochwasser mit sich bringt und vor allem in seinen Endzügen vermehrt die eingedeichten Auen des Nationalparks im Zuge der Schneeschmelze im Frühjahr füllt. Ein wohlbekanntes Phänomen, das bei Zaunkonzipierung offenbar schlicht ignoriert wurde.

(Privat)

Hintergrund:

Der Nationalpark Unteres Odertal in Brandenburg nahe Schwedt lockt u.a. mit landschaftlichem Idyll, wilder Fauna und ist – als „Flussauen-Nationalpark" – hierzulande einzigartig. Seit 2021 bereits ist dieses Schutzgebiet, welches an Polen grenzt und zahlreiche Wildtiere beherbergt, nunmehr zerschnitten bzw. umzäunt. Jener „Schutz“zaun, welcher der extensiven Ausbreitung der bei Wildschweinen festgestellten Afrikanischen Schweinepest – kurz „ASP“ – entgegenhalten soll, macht das uckermärkische Kleinod seither regelmäßig zum überfluteten Polder- und Drahtmaschengrab für Rehe, Biber, (Groß-)Vögel, Marder und andere Tiere. Das leidvolle Sterben der Wildtiere in den Fängen der Zaunmaschen und ihr qualvolles Ertrinken konnte in den vergangenen Jahren in erschreckender Vielzahl dokumentiert werden. Allein im ersten Halbjahr 2022 seien rund 77 Rehe infolge der Zaunbarriere qualvoll verendet. „Für viele Wildtiere ist das eine Falle, sie müssen jämmerlich ertrinken“, klagt Kristina – eine engagierte Tierschützerin, die das Geschehen vor Ort dokumentiert und mit uns in Kontakt steht.

Mit dem Erbau des ASP-Zauns hat der Landkreis Uckermark eine Todeslinie durch ein Gebiet gezogen, welches sich – als Nationalpark – dem Schutz des Lebens und der ökologischen Resilienz und Vielfalt verschrieben hat – dieses gleicht, seit der Zaunerrichtung, eher einem riesigen „Tiergehege”. Nutznießer der Einzäunung seien vor allem schweineproduzierende Betriebsstätten - nicht nur solche in Brandenburg, sondern im gesamten Bundesgebiet. Der ASP-Zaun soll ein Durchdringen der schweinespezifischen tödlichen Seuche zu deren Beständen verhindern, und sie folglich vor einer wirtschaftlichen Katastrophe bewahren. Der Zaun dient der Fernhaltung von potenziellen Seuchenträgern – also (ASP-infizierten) Wildschweinen. „Die toten Wildtiere, sagt Kristina, würden von den Verantwortlichen offenbar „als reine Bagatellschäden“ betrachtet.“ Es ist erschreckend, welch tödlichen Einfluss die Fleischindustrie auch außerhalb ihrer quälenden und mordenden Fabriken auf Tiere nimmt.

(Privat)

Bereits 2022, als die Problematik zunehmend auch medial an Brisanz gewann, hatte sich eine ganze Interessengemeinschaft von Tierschützenden zusammengefunden, welche das skandalöse Geschehen im Unteren Odertal u.a. geschlossen detailliert und akribisch dokumentierte und an politische Instanzen sowie an Sachverständige heran trug - mit der Hoffnung auf zeitnahe rettende Intervention. Auch wir standen in ständigem Kontakt mit den Agierenden, berichteten regelmäßig und eingehend und wandten uns in Form eines offenen Briefes fordernd an die (regional-)politischen Entscheidungsträger:innen – adressiert an Frau Karina Dörk, Landrätin LK Uckermark & Frau Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz Brandenburg: Mit der Weiterleitung an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft involvierten wir außerdem eine übergeordnete Instanz. Mit einem Flyer, welcher 10.000 mal gedruckt und im betroffenen Gebiet verteilt wurde, gaben wir Bürger:innen – in Zusammenarbeit mit den ansässigen Tierschützenden – Instruktionen zur Rettung der Zaunopfer an die Hand. Mit der Hashtag-Aktion „#RettetDieTiereImOdertal“ machten/machen wir ferner via Social Media geballt auf die Not der ertrinkenden Tiere aufmerksam.

Trotz aller Bemühungen, einer flankierenden Petition, der Expertisen von wildtierkundigen Sachverständigen und einer eklatanten Zielverfehlung der drahtenen Maßnahme fand die Zaunproblematik bei den Entscheidungsträger:innen lediglich stiefmütterliche Beachtung: Statt den lebensrettenden Forderungen nach einem weitläufigen Zaunversatz bzw. einer (Teil-)Entfernung nebst einer Bauartanpassung nachzugehen, war man lediglich Willens, einen partiellen Versatz zu avisieren. Dieser beschränkt sich auf gerade mal 10 km Zaunstrecke – bei einer Zaungesamtlänge von rund 120 km, die den Nationalpark einfasst. Temporäre Zauntor-Öffnungen bzw. Durchlässe wurden veranlasst, die – laut Bezeugender - kaum bis gar keinen Effekt hatten/haben – nur selten würden die Tore geöffnet. Das eigenmächtige Öffnen sei Bürger:innen unterdessen strikt untersagt. Was Fürsprecher:innen als „Weiße Zone“ bezeichnen, wird weiterhin jedes Jahr aufs Neue zur Todeszone für zahllose Wildtiere. Rechtsmittel wurden bzw. werden ausgeschöpft, um die Tiere im Odertal zu retten - wobei der „Wildtierschutz Deutschland e.V.“ im zentralen Verfahren federführend ist, und die Justiz beharrlich prokrastiniert.

Derweil stoßen die gegenwärtigen Bemühungen Tierschützender mediale Größen für Berichterstattungen zur Transparentmachung zu gewinnen auf wenig Gegenliebe. Immerhin – die „TAZ“ hat das skandalöse Geschehen zusammengefasst: ➡️ Seuchenbekämpfung im Nationalpark: Unruhe im Unteren Odertal - taz.de

Noch immer kein Entkommen für die Tiere im Odertal:

Dem Schwarzwild, welchem die Zäunung gilt – von diesem aber nachweislich überwunden wird, stelle man u.a. vermehrt waidmännisch nach – die Tiere würden kurzerhand abgeschossen werden. Dabei kämen spezielle „Kastenfallen“ und Drohnen zum Einsatz, um sie zu orten und einzufangen - man wolle den Nationalpark „quasi wildschweinleer schießen“, klagt Kristina. Ein ansässiger orts- und bestandskundiger Jäger bezeichne das Ziel der Volldezimierung des Schwarzwildes in „der Kernzone des Nationalparks“ für „illusorisch“. Die (eingezäunten) Tiere des Odertals drohen nicht nur dem alljährlichen Hochwasseraufkommen zum Opfer zu fallen – sie finden sich auch zeitweise im „Kugelhagel“ wieder.

Wie man hört, zieht sich das Hochwasser gegenwärtig zurück – der trockene Sommer zeichnet dann ein trügerisches Bild der Sicherheit, das – wie jedes Jahr – gegen Jahresende verblassen wird. Spätestens bei Wintereinbruch kehrt das Hochwasser sukzessive zurück und die Zaunbarriere wird erfahrungsgemäß erneut zahllose Tiere in den Tod zwingen. Ertrunkene oder anderweitig zu Tode gekommene Zaunopfer - verendete Tiere - erblickt man hingegen kaum noch - diese würden durch Spezialfirmen kurzerhand eingesammelt und entsorgt werden, was das Bild noch trügerischer macht.

(Enrico Rahn / 2022)

„Darf man wirklich der Fleisch­industrie einen Nationalpark opfern?“, fragt Kristina. „Ich finde, nein.“ – Dem pflichten wir vollumfänglich bei und fordern ein promptes Handeln der Verantwortlichen - Rettet (endlich!) die Tiere im Odertal!

Hilf uns und den Tieren, die Todeszäune im Unteren Odertal zu stürzen bzw. einen lebensrettenden Versatz zu erwirken – unterzeichne die Petition: ➡️➡️➡️ Petition · Katastrophe im brandenburgischen Nationalpark Unteres Odertal bei Schwedt - Deutschland · Change.org

...für Tierrechte. Denn Mitleid ist zu wenig!

Quellen:

➡️ Seuchenbekämpfung im Nationalpark: Unruhe im Unteren Odertal - taz.de

➡️ Rechtsstreit Nationalpark Unteres Odertal – eine Chronologie (wildtierschutz-deutschland.de)

➡️ Teile Ostbrandenburgs seit einem Jahr seuchenfrei: Wie weiter mit den Sperrzonen der Afrikanischen Schweinepest? | rbb24