Karnismus: Die Ideologie des Fleischessens
Ein Gedankenspiel: Stell dir vor, du wurdest zum Essen eingeladen. Es gibt ein fantastisch schmeckendes Fleischgericht. Es schmeckt so gut, dass du nach dem Rezept fragst. Du bekommst als Antwort, dass das Geheimnis des Rezepts im Fleisch liegt, genauer gesagt in der Art des Fleisches. Es stammt nÀmlich von einem Golden Retriever. Sehr wahrscheinlich wirst du nun Ekel empfinden und das Fleisch nicht mehr als Essen betrachten. Dabei hat sich das Fleisch(gericht) gar nicht geÀndert, nur deine Wahrnehmung.
Der Grund fĂŒr diese WahrnehmungsĂ€nderung heiĂt Karnismus. Karnismus ist im Prinzip das GegenstĂŒck zum Veganismus, nĂ€mlich ein System aus Ăberzeugungen, das uns lehrt, (bestimmte) Tiere zu essen. Im Vergleich zum Veganismus ist der Karnismus die dominante Ideologie, die tief in unserer Gesellschaft verankert ist, und deshalb maĂgeblich unsere Ăberzeugungen, Normen, Gedanken, Gesetze, etc. formt. Damit der Karnismus als dominante Ideologie bestehen bleibt, bedient er sich Abwehrmechanismen.
1. Verleugnung/Unsichtbarkeit:
Da der Karnismus so allgegenwĂ€rtig und kulturell verankert ist, wird er in der Regel gar nicht als Ideologie erkannt. Die meisten kennen nicht einmal den Namen âKarnismusâ. Ăber etwas, fĂŒr das man kein Wort hat, fĂ€llt es viel schwerer nachzudenken bzw. es zu hinterfragen, da es nicht wirklich greifbar ist. Unsichtbar sind auĂerdem die Opfer des Karnismus, also die Tiere. Wann hast du das letzte Mal gesehen, wie die zahlreichen âNutzâtiere in Deutschland leben und getötet werden? Auf der anderen Seite werden stĂ€ndig realitĂ€tsverzerrende Bilder gezeigt, beispielsweise in der Werbung oder auf Milchpackungen.
2. Rationalisierung/Mythen:
Dr. Melanie Joy, Psychologin und Namensgeberin des Karnismus, hat drei Mythen ausgemacht, mit denen der Verzehr von Tierprodukten oft gerechtfertigt wird. Sie nennt diese auch die drei âNsâ: Tiere essen sei normal, natĂŒrlich und notwendig. WĂ€hrend die Notwendigkeit tierischer Lebensmittel mittlerweile widerlegt ist, sagen die NormalitĂ€t oder die NatĂŒrlichkeit einer Sache erstmal gar nichts darĂŒber aus, ob diese gut oder schlecht ist. Auf diesen drei Mythen baut diese unreflektierte PrĂ€ferenz auf.
3. Kognitive Verzerrungen:
Bei den kognitiven Verzerrungen sind vor allem drei konkrete Mechanismen zu nennen. Zum einen die Verdinglichung der Opfer, also die Betrachtung der Tiere als Objekte. Dann deren Ent-Individualisierung, also die Betrachtung der Tiere als homogene Masse und nicht als einzelne Individuen. Und zuletzt die Dichotomisierung. Das ist die Einteilung in gegensÀtzliche Kategorien, bspw. in "essbare" Tiere und "nicht essbare" Tiere.
Es ist sehr wichtig, den Karnismus zu benennen, um ein Bewusstsein fĂŒr die Existenz dieser Ideologie zu schaffen. ErklĂ€re Karnist:innen, also den âAnhĂ€ngernâ dieser Ideologie, warum die drei âNsâ nur Mythen sind und keine validen Argumente, und erinnere sie immer wieder an die einzelnen individuellen Leben und Schicksale der Tiere. PrĂ€sentiere den Veganismus als gewaltfreie Gegenoption und vergiss dabei nicht, dass auch Karnist:innen i.d.R. mitfĂŒhlende Menschen sind. Genau dieses MitgefĂŒhl ist es, wogegen der Karnismus seine Abwehrmechanismen braucht.
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